Gegen das Vergessen: Übersicht < Zwangsarbeit
Das größte Fahrradunternehmen des deutschen Kaiserreiches avancierte im 1. Weltkrieg zu Frankfurts größtem Rüstungsbetrieb. Schon damals sammelten die Adlerwerke Erfahrungen mit dem Einsatz dienstverpflichteter Frauen und Kriegsgefangener.
Während des Nationalsozialismus produzierten die Adlerwerke fast ausschließlich für die Wehrmacht und stiegen zum größten Hersteller von Schützenpanzer-Fahrgestellen auf.
Die Adlerwerke zur Zeit des Nationalsozialismus
Foto: Dr. Wolff & Tritschler
(aus: Kaiser/Knorn Wir lebten und schliefen zwischen den Toten)
Bereits im Juli 1941 entstanden Baracken für französische Zivilarbeiter auf dem Gelände zwischen Werk I und II, das bis 1938 den jüdischen Unternehmern der Flesch-Werke AG für Gerbstoff-Fabrikation und chemische Produkte Ffm, der OHG Erste Frankfurter Malzfabrik Matthias & Salomon und des Werkzeugmaschinen- Großhandel Schack & Co. abgepresst worden war, also arisiert wurde.
Ab 1942 wurden vor allem russische Kriegsgefangene nach Frankfurt verschleppt, weshalb ein neues Massenquartier in der Froschhäuser Straße in Griesheim entstand auf städtischem Grund und Boden. Etwa 2000 Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen mussten dort unter unmenschlichen Bedingungen hausen. 1943 beschäftigten die Adlerwerke das drittgrößte Zwangsarbeiterheer Frankfurts, übertroffen nur von IG Farben und VDM Vereinigte Deutsche Metallwerke.
Der Luftangriff vom 22.4.1944 führte zu schweren Zerstörungen bei den Adlerwerken. Wegen Auslagerung und Zeitverlusten fehlten Arbeitskräfte. Der Strom ziviler Zwangsarbeiter war inzwischen versiegt. Die Adlerwerke forderten KZ-Häftlinge an.
Am 22. August 1944 war das KZ-Adlerwerke, ein Außenlager des KZ-Natzweiler fertiggestellt und erhielt den Decknamen "Katzbach". Es befand sich direkt auf dem Werksgelände, mitten im Gallusviertel in Frankfurt am Main.
Die Organisation des Lagers war zwischen SS und Werk aufgeteilt. Die Geschäftsleitung der Adlerwerke war für die Beheizung und Wasserversorgung des Lagers zuständig, für die Einrichtung des KZ sowie für die Beschaffung der Lebensmittel. Sie hatte die Häftlinge fachlich anzulernen und Arbeitskleidung zur Verfügung zu stellen. Durchaus vorhandene Spielräume zur Verbesserung der Lage der Häftlinge wurden von der Werksleitung nie genutzt.
Die Adlerwerke zahlten pro Tag und Häftling 4 bis 6 Reichsmark an das KZ-Natzweiler, wovon der Verpflegungssatz von 80 Reichspfennig pro Tag abging. Das Konzept Vernichtung durch Arbeit erlaubte den Adlerwerken den vollständigen Verschleiß von Arbeitskräften durch eine Rücknahme- und Ersatzgarantie für die Kranken und Toten.
Die insgesamt ca. 1600 Zwangsarbeiter im KZ Katzbach wurden von der Werksleitung vor allem in den KZs Buchenwald und Dachau ausgesucht. Viele waren nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstands im August 1944 verschleppt worden.
Die Todesrate im KZ Adlerwerke übertraf die aller hessischen KZ-Außenlager. Die Häftlinge mussten 84 Stunden in der Woche in ungeheizten, teils zerstörten Hallen arbeiten. Sie besaßen in dem eisigen Winter 1944/45 nur ihre zerlumpten Sommermonturen. Hygiene und ärztliche Versorgung gab es praktisch nicht. Gewalt und Schikane waren alltäglich. Die Menschen verhungerten buchstäblich oder fielen, völlig geschwächt, Krankheiten zum Opfer. Fluchtversuche wurden mit öffentlicher Hinrichtung bestraft.
Vor dem Einmarsch der Amerikaner hatte man in den Adlerwerken dafür gesorgt, möglichst alle Beweise für die Existenz des KZ zu beseitigen. Erst Monate später wurden Militärbehörden durch das Feuerbestattungsbuch des Hauptfriedhofes darauf aufmerksam. Dort sind 528 Häftlinge begraben. Bei der dann erfolgten Durchsuchung der Adlerwerke stießen sie auf die Häftlingsstatistik.
Ermittlungen führten im September 1945 zur Anklageerhebung u.a. gegen Ernst Hagemeier, den Generaldirektor und Hauptaktionär der Adlerwerke. Doch die Leugnung jeglicher Verantwortung durch die Werksleitung hatte Erfolg: Die Verbrechen an den KZ-Häftlingen wurden nie gesühnt. Der Frankfurter Oberstaatsanwalt stellte im November 1947 das Verfahren ein. Im Juli 1948 konnte Hagemeier wieder den Vorsitz im Vorstand der Adlerwerke einnehmen und nur einige Jahre später erhielt er das Bundesverdienstkreuz.
Auch die Aktionäre der Adlerwerke, wie die Dresdner Bank, wurden nicht nur nicht zur Rechenschaft gezogen, sondern in den frühen Nachkriegsjahren mit Auszeichnungen geehrt. So Aufsichtsratsvorsitzender Carl Goetz. Er erhielt das Grosse Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.
Die Dresdner Bank war spätestens ab 1943 die zweitgrößte Aktionärin der Adlerwerke und verfügte durch Vertretung von Aktiendepots über 48% der Aktionärsstimmen. Mit Carl Goetz, ihrem Aufsichtsratsvorsitzenden, stellte sie ab 1939 bis Kriegsende den Aufsichtsratsvorsitzenden der Adlerwerke.
Bis heute weist die Dresdner Bank jede historische Verantwortung zurück. Zwar überwies sie den zehn Überlebenden 1998 insgesamt 80.000 DM, doch tat sie dies erst durch politischen Druck und achtete darauf, dies als humanitäre Hilfe zu bezeichnen eine Spende also.