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Funktion der Großbanken im Nationalsozialismus

Rede von Lorenz Knorr am 25.10.2004 am Grab der ermordeten Häftlinge des KZ Adlerwerke auf dem Hauptfriedhof in Frankfurt am Main

Lorenz Knorr während seiner Rede

Lorenz Knorr während seiner Rede am 25.10.2004

Foto: Clemens Ragotzky

Alle Institutionen des faschistischen Deutschland, eingeschlossen die Dresdner Bank, waren gehalten, die verbrecherischen Herrschaftsziele nach innen und aussen rücksichtslos der Realisierung näher zu bringen. Und sie taten es meist aus eigenem Antrieb. Denn die vor 1933 rechtskonservativen oder deutschnationalen Bosse der Konzerne und Großbanken "dankten ihrem Führer", weil er sie vom so-zialpolitischen Druck der Gewerkschaften und den Entprivatisierungsplänen der Arbeiterparteien "befreit" hatte. Die endgültige Niederschlagung der Arbeiterbewegung und die Zerstörung der Weimarer Republik war das gemeinsame Ziel.

Die tragenden Institutionen des faschistischen Deutschland wirkten nicht nur nebeneinander im Sinne der unmenschlichen NS-Ideologie. In Sachfragen und personell gab es enge Verzahnungen. Ein Beispiel war Hitlers Wirtschaftsberater Keppler, der sein Büro in der Dresdner Bank in Berlin unterhielt. Hier knüpfte man viele Fäden zwischen der NSDAP und den Konzernen sowie Großbanken. Der Schwiegervater Kepplers, Prof. Mayer, wirkte im Vorstand der Dresdner Bank. Der Direktor der Dresdner Bank, Dr. Rasche, amtierte zugleich als SS-Obersturmbannführer. Mit weiteren höheren SS-Offizieren im Vorstand der Dresdner Bank übte er beachtlichen Einfluss auch auf die Wirtschaft aus. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Dresdner Bank, Goetz, beeinflusste in Kriegszeiten als Aufsichtsratsvorsitzender die Adlerwerke in Frankfurt/M. Hier verfügte die Dresdner Bank über 48% der Aktionärsstimmen und kontrollierte den Aufsichtsrat. Der Spitzenbanker Goetz, der kein Parteimitglied war, koordinierte in mehr als 10 Aufsichtsräten von Groß- und Rüstungswirtschaft sowie Banken die Orientierung auf NS-Zielsetzungen. Seine Belohnung: mehr als eine Million Reichsmark pro Jahr! Derartige Querverbindungen unter Einschaltung von SS- und Parteifunktionären sollten Reibungsverluste vermeiden und die Effizienz im Sinne der NS-Ziele verbessern.

Die Großbanken erfüllten neben der Reichsbank als wichtige Säulen des faschistischen Staates die wesentliche Aufgabe, für die innenpolitische Machtstabilisierung der NSDAP sowie für Kriegsvorbereitung und Kriegsführung die benötigten finanziellen Mittel bereitzustellen, bzw. zu kreditieren. Dabei standen die Großbanken vor einem gravierenden Widerspruch. Bekanntlich handelte es sich um Unsummen von Geld, die für die beschleunigte Aufrüstung und umfassende Aggressionsvorbereitung erforderlich waren. Die eigene Wertschöpfung in Deutschland reichte bei weitem nicht aus, um die benötigten Finanzmittel aufzubringen. Man kann nur ausgeben, was man vorher erwirtschaftete. Zwischen realer Wertschöpfung und ausgegebenem Geld entstand im faschistischen System eine wachsende Kluft. Nach der Pleite mit dem Mefo-Wechsel Versuch, d.h. der Rüstungsfinanzierung mit ungedeckten Wechseln, erreichte das im Reich knappe Gold eine wachsende Bedeutung. Besonders auf dem Gebiet der Gold-Beschaffung erreichte die Dresdner Bank besondere Verdienste.

Zur Pleite des vom damaligen Reichsbank-Präsidenten und Wirtschaftsminister Schacht initiierten Mefo-Wechsel System eine aufschlussreiche Information über die Wirkung der Finanzklemme auf die Aussen- und Kriegspolitik der NS-Führung: Hitler plante nach dem Hossbach-Protokoll für etwa 1943 den Krieg. Bis zu diesem Zeitpunkt meinte er alle erforderlichen Vorbereitungen abschließen zu können. So führte er es vor den Spitzen der Generalität und einigen Reichsministern aus. Die Pleite des Mefo-Wechsel Systems drohte jedoch eine tiefe wirtschaftliche und soziale Krise auszulösen. Um diese nach aussen abzuwälzen und die Finanzknappheit durch Raub fremder Werte zu mindern, begann er bereits 1939 den Krieg mit dem Überfall auf Polen.

Den Finanzexperten an der Spitze der Großbanken musste von Anfang an bewusst gewesen sein, dass die wachsende Kluft zwischen realer Wertschöpfung und ausuferndem Geldbedarf der Reichsführung höchste Risiken in sich barg - nicht nur wegen ständiger und zunehmender Inflationierung der Reichsmark - und dass mit üblichen seriösen Geschäftspraktiken der klaffende Widerspruch nicht zu verringern sein würde. Zunehmend wich man auf kriminelle Praktiken aus, um das wachsende Finanzierungsproblem in den Griff zu bekommen.

Schon die "Arisierung" der deutschen Wirtschaft und die "Entjudung" des Finanzwesens brachten Geld und Gold in die Tresore der Großbanken und verbesserten auf diese Weise etwas die Finanzierung der Aggressionsvorbereitungen. Auf ca. 12 Milliarden Reichsmark schätzte man den "jüdischen Wirtschaftsfaktor des Reiches", Privatvermögen der Juden nicht mitgerechnet. Die Dresdner Großbank-Herren eigneten sich skrupellos jüdisches Vermögen an, indem sie zu erpressten Spottpreisen jüdische Banken und andere jüdische Großbetriebe erwarben, z.B. auch eine Groß-Brauerei. Natürlich machte sich keiner der Bank-Direktoren die eigenen Finger schmutzig beim Raub jüdischen Vermögens, besonders des privaten. Die Dreckarbeit überließ man der SS und der Gestapo sowie Strohmännern. Überproportionale Renditen erbrachte die Festlegung geraubter jüdischer Werte den Großbanken allemal, vor allem der Dresdner Bank.

Die Dresdner Bank war zu dieser Zeit bereits als SS-Bank bekannt. Sie finanzierte nicht nur die barbarischen Aktionen der SS im Allgemeinen, auch dem Reichsführer der SS, Himmler, stellte sie bereitwillig grössere Summen für "Polizeiaktionen" zur Verfügung. Kein anderer Großbank-Vorstand registrierte so viele höhere SS-Offiziere in seinen Leitungsetagen wie die Dresdner Bank. Die SS, die 1945 vom Internationalen Militär-Tribunal als verbrecherische Organisation verurteilt wurde, war bereits in der Vorkriegszeit wegen ihrer infernalischen Praktiken bekannt. Das wussten auch die Bank-Direktoren; es war allgemein bekannt.

Mit Kriegsbeginn und in der Folge der Raubzüge weitete sich auch das Aktionsfeld und die Rolle der Großbanken des faschistischen Deutschland wesentlich aus. Bei der Übernahme von Banken in den okkupierten Staaten tat sich vor allem die Dresdner Bank hervor. Goldraub für die verstärkte Finanzierung verbrecherischer Aktionen bei rapid steigender Rendite gehörte nun zu den üblichen Praktiken der angeblich seriösen Spitzenbanker. Sie ordneten an, Untergebene führten aus. Vor allem Besitz und Gold von Juden in den eroberten Staaten interessierte die SS. Die Großbanken zogen Nutzen daraus. Und die Banker wussten, was sie taten! Es war kriminell!

Ausländische Filialen der Dresdner Bank, besonders in Afrika und in Süd-Amerika, dienten oft als Spionage-Stützpunkte der SS. Die Direktoren der Dresdner Bank deckten auch derartige Praktiken. Istanbul z.B. diente als Drehscheibe für den illegalen Handel mit Gold und für legale Käufe zum Zwecke der faschistischen Kriegsfinanzierung, natürlich auch zur Steigerung der Gewinne der Dresdner Bank.

Selbst an der "Vernichtung durch Arbeit" bzw. der letztendlichen Ausraubung von Juden in den Konzentrationslagern profitierte die Dresdner Bank; sie war am Komplex Auschwitz maßgeblich beteiligt. Ein Film des Hessischen Rundfunks und die Frankfurter Rundschau berichteten darüber. Die eifrige Funktionsausübung der Dresdner Bank im Dienste des deutschen Faschismus brachte es mit sich, dass Blut an den Händen ihrer Direktoren klebte. Deshalb verurteilte auch ein US-Tribunal die Dresdner Bank als verbrecherische Institution.

Nicht nur die Deutsche Reichsbank, sondern auch die Großbanken wären verpflichtet gewesen, gegen die aufgestaute bzw. verdeckte Inflation vorzugehen, die durch den permanenten Vorrang parasitärer Aggressionsfinanzierung bei weit zurückbleibender Wertschöpfung und durch Raub fremder Werte entstand, Maßnahmen zu ergreifen. Man glaubte offenkundig, dass nach dem Sieg alle Inflationsfolgen auf andere Völker abgewälzt werden könnten. Mit der unsozialen Währungsreform von 1948 im Abwertungsverhältnis des Geldes 10 zu l zu Gunsten der Sachwertbesitzer bereinigten die westlichen Besatzungsmächte diese aufgestaute Inflation.

Die Frage wird diskutiert, ob die Großbanken des faschistischen Regimes bewusst als wichtige Stütze desselben agierten oder ob sie sich der NS-Diktatur unter Druck beugten. Objektiv wirkten die Großbanken zweifellos als unverzichtbare Finanzierungsmaschinerie des verbrecherischen Systems. Ohne die Bereitstellung der riesigen Geldsummen wäre das faschistische Deutschland längerfristig nicht aktionsfähig gewesen. Interessant ist die subjektive Seite dieser Frage: es ist kein einziger Fall bekannt, dass ein Spitzenbanker Widerstand geleistet hätte oder Sabotage. Bei der Wehrmacht gab es immerhin zwei Marschalle, einige Generäle und einige Obersten im Generalstab, die Widerstand leisteten, vorzeitigen Abschied erbaten oder verbrecherische Führerbefehle nicht weitergaben. Dieser Vergleich ist aufschlussreich! Viele Banker erklärten dem Führer ihre Ergebenheit. Nach dem 8. Mai 1945 bekundeten viele Banker ihre Unschuld: der Führer sei für alles verantwortlich gewesen! Hitler konnte jedoch die umfassenden Kriegsvorbereitungen und die vielen Raubzüge nicht ohne ein großes Heer von Mittätern verschiedener Verantwortungsgrade realisieren. Die Bankdirektoren wirkten mit einem hohen Verantwortungsgrad an vielen Verbrechen mit. Bei ihnen mischte sich fachliche Rationalität mit einem katastrophalen politischen Irrationalismus.

Bei der Feier zum 125-jährigen Bestehen der Dresdner Bank blendeten die Festredner die 12 Jahre faschistischer Herrschaft und die Mitwirkung der Dresdner Bank an vielen Verbrechen aus. Politischem Druck war es geschuldet, dass das Hauptarchiv der Dresdner Bank 1998 für wissenschaftliche Zwecke geöffnet wurde. Analytiker des Hannah-Ahrendt-Institutes in Dresden stellten bei der Auswertung fest, das vieles schlimmer war, als ursprünglich angenommen. Der umfassende OMGUS-Bericht des US-Tribunals von 1946/47 bedarf also der Ergänzung, wenn das ganze Ausmaß der Verbrechen sichtbar werden soll.

Von den heutigen Leitern der Dresdner Bank ist verspätete Wiedergutmachung gefordert, soweit nach dieser langen Zeit des Ignorierens noch einiges an Verbrechensfolgen zu lindern ist. Dank gebührt allen, die die Erinnerung wach hielten und die von der Dresdner Bank das fordern, was sie schuldig blieb!