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Rede von Herbert Bayer, Gewerkschaftssekretär der HBV, beim Mahngang 1998

Die Dresdner Bank, ein Hort der Stabilität, Kontinuität. So stellt sie sich jedenfalls selbst dar. Letztes Jahr feierte sie 125 Jahre Bankgeschichte. Verbunden ist diese Geschichte mit dem aufsteigenden Kapitalismus in Deutschland, den beiden Weltkriegen, mit allen Höhen und Tiefen in diesem Lande ist auch die Geschichte der Dresdner Bank verbunden.

Vor der Dresdner Bank

Vor der Dresdner Bank

Foto: LAGG e.V.

Die Dresdner Bank zeigt auch Kontinuität, wenn es um die Aufarbeitung der Fragestellung geht, wie weit war die Bank in den Nationalsozialismus eingebunden, verstrickt. Wie weit war sie mit eine treibende wirtschaftliche Kraft, eine Stütze des faschistischen Staates? Kontinuität zeigt die Dresdner Bank in dem Sinne, dass sie - wie die vorherrschende Strömung insgesamt im westdeutschen Nachkriegsdeutschland war und ist - ihre Unterstützung bzw. Beteiligung an Arisierung, Zwangsarbeit, ökonomischer Unterwerfung der von der Wehrmacht besetzten Länder herunterspielt, leugnet oder verniedlicht.

Vergleicht man die von der Bank herausgegebene Chronik “120 Jahre Dresdner Bank" - und hier konkret den Abschnitt 6 - in dem die Zeit des Nationalsozialismus behandelt wird, mit dem sogenannten OMGUS-Report ( dies sind die Dokumente der Ermittlungen der amerikanischen Militärregierung, Abt. Finanzwesen nach dem Faschismus über die Dresdner Bank AG), könnte die Unterschiedlichkeit der Betrachtung dieser Zeit nicht größer sein. In der Chronik wird behauptet, die Bank habe sich der nationalsozialistischen Ideologie widersetzt und war angeblich Anfeindungen des nationalsozialistischen Staates ausgesetzt gewesen und in ihren Entfaltungsmöglichkeiten und ihrer Geschäftstätigkeit eher behindert worden. Im OMGUS-Report wird anhand von Dokumenten nachgezeichnet, wie die Dresdner Bank als ein Hauptfinanzier des Naziregimes aufgetreten ist und Nutznießer dieser Dienstbarkeit gegenüber dem nationalsozialistischen Staat und seinen Institutionen wurde.

Ein Beispiel welches das Nachkriegsverhalten der Dresdner Bank in der auch heute in Rede stehenden Forderungen zeigt, ist der Ausbau der Gedenkstätte des KZs Neuengamme in Hamburg. Jan-Philipp Reemtsma hatte 500 Firmen angeschrieben, sich an dem Ausbau der Gedenkstätte KZ-Neuengamme zu beteiligen. Eine der Angeschriebenen war die Dresdner Bank als Finanzier vieler Firmen, die im KZ-Neuengamme Zwangsarbeit leisten ließen und organisierten. Die Dresdner Bank AG war eine derjenigen, die nicht antwortete, sondern in einem Telefonat eines Vorstandsmitgliedes mitteilte, dass sie die Gedenkstätte nicht unterstützen würde, da dies Aufgabe des Staates sei. Eine ausführliche schriftliche Begründung würde folgen. Diese ist aber nie eingegangen. So nachzulesen in der Dokumentation einer Ausstellung, die den Ausbau der Gedenkstätte KZ-Neuengamme aufarbeitet.

Die Dresdner Bank AG war maßgeblich an den Adlerwerken in Frankfurt beteiligt.

Nun zum heutigen Anlass. Die Dresdner Bank AG war maßgeblich an den Adlerwerken in Frankfurt beteiligt. Sie war Großaktionär und Finanzier der Rüstungsproduktion der Adlerwerke. Die eingesetzten Zwangsarbeiter im KZ Katzbach waren ein Teil dieser faschistischen ausbeuterischen Arbeitsorganisation und eine bedrückende Wirklichkeit mitten in Frankfurt. Dass dies nicht vergessen wird, ist eine historische Verantwortung der Überlebenden und der Nachgeborenen, also unserer Generation und der Generation unserer Kinder. Verantwortung haben nicht nur diejenigen, die damals Entscheidungen zur Vernichtung von Menschen getroffen haben, sondern auch alle, die in der Kontinuität dieses Landes und der einzelnen Wirtschaftsunternehmen heute stehen und diese Geschichte nicht vergessen dürfen, sondern mit dazu beitragen müssen, die Geschichte aufzuarbeiten und daraus die notwendigen Konsequenzen für die Gegenwart und Zukunft zu ziehen. In diesem Sinne übernimmt bis heute die Dresdner Bank in ihrer Führungsspitze keine Verantwortung für die Aufarbeitung und die Wiedergutmachung des Schadens, den die Bank im Nationalsozialismus, wie andere Wirtschaftsunternehmen auch, angerichtet haben.

Sie könnte zumindest beginnen, dies zu tun, indem sie eine Entschädigung für die noch wenigen Überlebenden des KZs Katzbach zahlt, unabhängig von der Frage, ob sie dazu rechtlich verpflichtet ist oder nicht, weil, Verantwortung heißt auch, diese Verantwortung zu übernehmen, wenn man nicht zwingend dazu verpflichtet ist, sich aber moralisch dazu verpflichtet sieht. Sie könnte dies auch tun, indem sie endlich hilft, die Gedenk- und Erinnerungsstätte des KZs Katzbach in den Adlerwerken mit zu finanzieren und durch einen wesentlichen Beitrag dieses Projekt finanziell abzusichern. Verantwortung übernehmen heißt, die Orte, an denen die Verbrechen begangen wurden, zu benennen, zu erhalten und als Mahnung an die Nachgeborenen begreifbar zu machen. In den Adlerwerken, eine Gedenk- und Informationsstätte für das KZ Katzbach zu organisieren, also an dem Ort, an dem Zwangsarbeiter zu Tode gebracht wurden, ist eine wichtige Forderung, die dankenswerterweise der LAGG aufgegriffen hat. Die Spuren dieses KZs waren zum Teil schon in der Versenkung verschwunden. Sie sind in den letzten Jahren - Gott sei Dank - ans Tageslicht gekommen und nachgezeichnet worden.

Das Areal der Adlerwerke ist zur Zeit im Umbruch - im Rahmen der “Modernisierung" Frankfurts zu einer Dienstleistungsstadt. Der Umbau dieses Komplexes der Adlerwerke zu Büro- und Dienstleistungsarbeitsplätzen ist dazu angetan, diese Spuren ganz zu vernichten. Es besteht aber auch die Möglichkeit, im Rahmen dieses Umbaues und der Errichtung einer Gedenk- und Informationsstätte gerade diese Spuren weiter festzuhalten, auszubauen, nachzuzeichnen und als Mahnmal für eine Zeit des nicht wiederkehrenden geschichtlichen Irrtums inmitten Frankfurts zu erhalten.

Eine Tochter der Dresdner Bank ist an der Immobilienfinanzierung des heutigen Komplexes Adlerwerke beteiligt.

Auch die Dresdner Bank hat heute wieder ihre Finger dabei, denn die Umgestaltung des Komplexes Adlerwerke ist ein lukratives Projekt von Immobilien-Investoren, die auch im Hintergrund bei der Vernichtung der gewerblichen Arbeitsplätze bei den Adlerwerken mitgewirkt haben. Eine Tochter der Dresdner Bank AG ist im Bereich der Immobilienfinanzierung des heutigen Komplexes Adlerwerke mit im Boot. Es wäre ein Leichtes, von den Millionen, die aufgrund der Grundstücks- und Bauspekulation über den Tisch geflossen sind, einen Teil abzuzweigen und für die Errichtung einer Gedenk- und Informationsstätte zu nutzen.

Deshalb ist es richtig die Forderung zu stellen: Finanzierung der Gedenk- und Informationsstätte durch einen wesentlichen finanziellen Beitrag der Dresdner Bank im ehemaligen Komplex der Adlerwerke, um an das dortige KZ Katzbach zu erinnern. Diese Gedenk- und Informationsstätte kann neben anderen Institutionen einen Beitrag dazu leisten, die Geschichte des Faschismus in Frankfurt konkret aufzuarbeiten, zu dokumentieren und wachzuhalten. Dieser Verantwortung sollte sich endlich die Bank stellen und nicht auf andere abschieben. Die Herangehensweise, wie sie die Bank beim Ausbau der Gedenkstätte des KZ-Neuengamme in Hamburg an den Tag gelegt hat, ist sicherlich auch heute wieder zu vernehmen. Nach dem Motto: Der Staat, die Stadt soll dies doch tun, wenn es sinnvoll ist; wir mischen uns da nicht ein, wir halten uns zurück. Wir sehen aber auch keinen Grund, irgendeinen Pfennig dafür zu geben. Im Bewusstsein dessen, dass diese Stadt überhaupt kein Geld für solche Projekte hat, weiß man natürlich, dass diese Argumentation ins Leere läuft und, ich behaupte mal, dass diese Position deshalb eingenommen wird, weil man hofft, dass dadurch die Gedenk- und Informationsstätte nicht entsteht und Gras über die ganze Sache wächst. Nämlich nur dann, wenn man will, dass die Geschichte wachgehalten wird, dass die Geschichte aufgearbeitet wird, dass man sich der geschichtlichen Verantwortung stellt, überlegt man sich auch, wie man dieses Konzept umsetzt. Wer will, dass es nicht finanziert wird, der wird sicherlich Überlegungen forcieren, die Aufgabe an solche Institutionen abzutreten, die gar nicht in der Lage sind, die Gedenk- und Informationsstätte zu finanzieren.

Ich möchte eine Kollegin zitieren: »Bis vor wenigen Jahren war mir nicht bekannt, wie grauenhaft unmenschlich mit den Zwangsarbeitern in den Adlerwerken umgegangen wurde.«

Wie wichtig eine solche Gedenk- und Informationsstätte ist, ist mir in Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen, unter anderem auch von Vertrauensleuten in der Dresdner Bank, deutlich geworden. Ich möchte hier gerne eine Äußerung einer jungen Kollegin aus diesem Kreise wiedergeben, die nachhaltig das Konzept einer notwendigen Erinnerung stärkt und die Forderungen, die wir heute wieder aktualisieren, bekräftigt: “Bis vor wenigen Jahren war mir nicht bekannt, wie grauenhaft unmenschlich mit den Zwangsarbeitern in den Adlerwerken umgegangen wurde. Über Jahrzehnte bin ich aberhundertemale auf der Kleyerstraße an den Adlerwerken vorbeigefahren - unbekümmert. Inzwischen empfinde ich beim Vorbeifahren ein ähnliches Entsetzen, welches mich auch erfasst hat, als ich während meiner Schulzeit das KZ Buchenwald besichtigte".

Die Dresdner Bank hat begonnen endlich mit den Vertretern der LAGG zu sprechen. Die vielfältigen Aktivitäten zeigen Wirkung. Auch der Besuch der Hauptversammlungen und das Einbringen der Forderung, einen Pfennig von der Dividende nicht an die Aktionäre auszuschütten, sondern für Entschädigungszahlung der letzten Überlebenden des KZ Katzbach zu nutzen und die Gedenk- und Informationsstätte im Areal der Adlerwerke zu finanzieren, zeigen wohl doch mittlerweile Bewegung in der Führungsetage der Bank. Auch der heutige Mahngang ist eine wichtige weitere Aktivität und kann diese Bewegung fördern. Wir dürfen mit dem Druck nicht nachlassen, dann gibt es auch Chancen der Realisierung unserer Forderungen.

Wir stehen hier vor der Filiale der Dresdner Bank, einem sanierten Schneider-Gebäude. Direkt daneben, auf der anderen Seite der Kaiserstraße ist die Baustelle zu sehen, wo die Dresdner Bank ihr umstrittenes neues Hochhaus bauen wird. In der Auseinandersetzung um die Genehmigung diese Hochhauses warb die Dresdner Bank mit dem Argument, dass ihre Hochhausinvestition ein Zeichen für die Verbundenheit mit der Stadt Frankfurt sei, wo sie nach dem Krieg ihre neue Zentrale errichtet habe. Wenn die Dresdner Bank ihre Verbundenheit mit Frankfurt zeigen will, dann kann sie dies noch besser mit der Finanzierung der geforderten Gedenk- und Informationsstätte in den Adlerwerken tun, denn sie würde damit ein Zeichen setzen für die Aufarbeitung der gemeinsamen Geschichte in Frankfurt. Jedenfalls wäre es verdienstvoller für Frankfurt als ein weiteres Hochhaus.

Herbert Bayer, Gewerkschaftssekretär der HBV (Handel, Banken, Versicherungen) 24. März 1998