Gegen das Vergessen: Übersicht < Aktionen < Entschädigungsforderung < Antrag an die Aktionäre der Dresdner Bank

Jahreshauptversammlung der Dresdner Bank 1997

Antrag des Vereins LAGG zur Verwendung des Bilanzgewinns

Die Dividende wird von 1,35 DM inklusive Bonus auf 1,54 DM je Aktie erhöht. 0,01 DM je Aktie werden einem einzurichtenden Fonds zur Entschädigung von Zwangsarbeitern und KZ-Opfern zugeführt.

Begründung:
Teile des Vermögens der Dresdner Bank basieren auf Gewinnen, die durch Zwangsarbeit im zweiten Weltkrieg erzielt wurde.
Viele dieser Zwangsarbeiter haben bis heute keine nennenswerte Entschädigung erhalten. Eine um einen Pfennig je Aktie geringere Erhöhung der Dividende schmerzt ernstlich keinen Aktionär. Eine auf diese Weise mit ca. 4,5 Millionen DM ausgestatteter Fonds könnte wenigstens den Versuch der Wiedergutmachung leisten. Beschämend ist es, so lange zu warten, bis die wenigen Überlebenden des Grauens eines natürlichen Todes gestorben sind.

Redebeitrag der Initiative gegen das Vergessen auf der Hauptversammlung der Dresdner Bank am 23.5.1997 von Henning Kühn

Ich rede zum Top 2 »Verwendung des Bilanzgewinnes«, beziehungsweise dem Antrag des LAGG e.v zu diesem TOP.

Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, die Dividende um 0,20 DM (inkl. Bonus) pro Aktie zu erhöhen. Wir beantragen die Dividende lediglich um 0,19 DM zu erhöhen; also auf einen Pfennig Dividendenerhöhung zu verzichten, um sich wenigstens symbolisch der historischen Verantwortung für die Beteiligung der Dresdner Bank an den Verbrechen des NS-Regimes zu stellen.

Einen Pfennig pro Aktie für die Zwangsarbeiter all der Firmen, an denen die Dresdner Bank Beteiligungen oder Mitverantwortung hatte.

Es ist schlicht eine historische Tatsache, dass die Dresdner Bank an Zwangsarbeit und KZ, an Arisierung und Krieg verdiente. Nicht umsonst stellte die amerikanische Militärregierung 1945 fest: »Kein anderes führendes Kreditinstitut identifizierte sich so vollständig mit den Zielen der NSDAP, der Nazi-Regierung und der SS und keine Bank schlug aus ihren politischen Beziehungen so rücksichtslos Profit«.

Es liegt mir fern, Sie persönlich für diese begangenen Verbrechen verantwortlich zu machen. Verantwortung tragen Sie allerdings für ihr heutiges Handeln.

Ein Beispiel für die Mitbeteiligung der Dresdner Bank an der Ausbeutung von Zwangsarbeitern sind die Frankfurter Adlerwerke. Hier besaß die Dresdner Bank das zweitgrößte Aktienpaket und kontrollierte den Aufsichtsrat. Ab 1944 wurde in den Adlerwerken das KZ Katzbach / Adlerwerke eingerichtet.

Wie Herr Sarrazin im Geschäftsbericht feststellt, erfreut sich das »Geburtstagskind« Dresdner Bank »bester Gesundheit«. Die KZ-Häftlinge in den Adlerwerken hingegen litten an Typhus, Ruhr und anderen Krankheiten, verhungerten, erfroren, starben an Entkräftung, wurden erschlagen, erschossen oder auf andere Weise ermordet. Von 1.600 Häftlingen dieses KZs überlebten 48 Menschen. Elf dieser Menschen leben heute noch.

Einen Pfennig für das Grauen, das sie erleben mussten. Einen Pfennig für Hunger, Folter, Gefangenschaft und Sklavenarbeit. Einen Pfennig für ihre Gesundheit, ihre Hoffnung, ihre Lebensfreude, die ihnen genommen wurde. Einen Pfennig pro Aktie für eine wenigstens materielle Entschädigung für das, was ihnen angetan wurde. Einen Pfennig pro Aktie, nur ein Bruchteil des Gewinns, den 'dieses Haus' während des Nationalsozialismus aus ihrer Sklavenarbeit zog.

In der Stellungnahme des Vorstands, der die Ablehnung unseres Antrages empfiehlt, heisst es lapidar, die Dresdner sei seinerzeit ja »nur« mit 10% an den Adlerwerken beteiligt gewesen. Erstens stimmt das nicht. Aus der »Aktionärsstimmliste zur ordentlichen Hauptversammlung der Adlerwerke am 16.6.1943« geht hervor, dass die Dresdner Bank die zweitgrößte Aktionärin der Adlerwerke war. Ausserdem verfügte sie durch Vertretung von Aktiendepots über die meisten – nämlich 48% der Aktionärsstimmen.

Doch selbst wenn es »nur« 10% gewesen wären, würde das die Dresdner Bank aus ihrer historischen Verantwortung entlassen?

Wissen Sie eigentlich, dass Mitarbeiter der Adlerwerke, die übrigens keinerlei Aktienbeteiligungen besaßen, ca 10.000 DM für die 11 Überlebenden spendeten?

Angesichts der unvorstellbaren Grausamkeit und der historischen Einmaligkeit der Verbrechen, von denen hier die Rede ist, ist ihr Verweis: »Wir waren doch nur mit 10% beteiligt« eine moralische Bankrotterklärung.

Zum Schluss möchte ich aus dem Brief eines ehemaligen Häftlings des KZ Adlerwerke zitieren, den die genannten Mitarbeiter der Adlerwerke nach ihrer Spende erhielten. Darin schreibt er: »Was die Dresdner Bank anbetrifft: Von der moralischen Pflicht abgesehen, es wäre eine gute Geste, wenn Sie nach 45 Jahren Forschen die paar Überlebenden gefunden haben und eine Entschädigung leisten würden.«

In diesem Sinne bitten wir Sie um die Zustimmung zu unserem Antrag.