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Arbeit und Arbeitsbedingungen

“Eigentlich ging alles ineinander über; Arbeit, Rückkehr in die Halle, wo wir schliefen, Schlaf - und immer dasselbe - Hunger, Arbeit, Schlaf, keinerlei freie Zeit” beschreibt Andrzej Branecki die Situation in den Adlerwerken.

Für das “Produktionskommando” hatten die Adlerwerke vom SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamt 850 Arbeiter aus elf Berufsgruppen u.a. Eisendreher, Schlosser, Autogenschweißer, Schmiede u.a. für die Durchführung einfacher mechanischer Arbeiten in insgesamt sieben Betriebswerkstätten angefordert und 1.000 Mann zugewiesen bekommen. Die Häftlinge wurden in den Betriebs- und den Kontrollabteilungen der Schützenpanzermotoren und der Fahrgestelle eingesetzt. Die meisten Maschinen waren hoch automatisiert, daher hatten manche Gefangene während der Maschinenlaufzeiten mehrere Automaten gleichzeitig zu bedienen und zwischendurch Transport- und Aufräumarbeiten zu verrichten.

Neben dem Produktionskommando existierte noch ein Baukommando von ca. 200 Gefangenen als ständig verfügbare Arbeiterreserve. Der Häftling René Kern berichtete über die Existenz eines Todeskommandos im Baukommando, “wo wir wie das Vieh von der SS eingekreist, unter den bedrohenden Schlägen und Waffen der SS gezwungen wurden, die Zeitzünder wie auch nicht explodierte Bomben zu entschärfen.”

Die Arbeit in der Transport- und Ladekolonne beschreibt Jozef Marcinkowki: “Diese Gruppe erfüllte verschiedene Funktionen. Meistens jedoch wurde sie zum Güterbahnhof zum Entladen von Waggons mit Metallschrott getrieben. Das war schwere und gefährliche Arbeit. Die Häftlinge waren hungrig und schwach vor Erschöpfung. Sie hatten keine Schutzhandschuhe. Sie arbeiteten in Holzschuhen. Das Tempo beim Entladen war mörderisch. Das Altmetall war schwer und scharfkantig. Fast täglich kehrten sie mit Wunden zurück, das waren hauptsächlich Quetschungen an Händen und Füßen. Jede solche Quetschung und sogar weniger komplizierte Verletzungen endeten mit Blutvergiftung und Tod.”

Entgegen den Einsatzrichtlinien der Adlerwerke für ausländische Arbeiter erfolgte die Anlernung der KZ-Häftlinge, von Ausnahmen abgesehen, direkt in der Fertigung, vorgesehen waren höchstens zwei Wochen. Weil man für den Einsatz der Häftlinge die am weitesten durchrationalisierten Arbeitsplätze benötigte, mussten die dort beschäftigten zivilen Zwangsarbeiter umgesetzt werden. Kolonnenenweise kamen die Häftlinge in den Betriebswerkstätten hinter “Vergitterung und Stacheldraht ... zum nahezu geschlossenen Arbeitseinsatz”. Da die Anlernzeit auf nahezu null reduziert wurde, kam es zu einer immer größeren Produktion von Ausschuss.

Eine Besonderheit in den Adlerwerken war die Anwesenheit der SS am Arbeitsplatz mit der Order der Lagerleitung die Häftlinge zur Arbeit anzuhalten. Die von der SS im April 1944 angeordnete Umwandlung der Prügel- in die Todesstrafe “in Fällen nachgewiesener Sabotage” gab der Betriebsleitung der Adlerwerke ein Mittel in die Hand, die mangelnde Schulung der Häftlinge durch Einschüchterung “zu kompensieren”.

Der in seinem erlernten Beruf als Dreher beschäftigte Jan Kozlowski veranschaulicht dies: “An der Maschine hat mich niemand speziell angelernt. Allein der Meister, ein deutscher Zivilist, zeigte mir, wie die Maschine in Gang gesetzt wird, wie das Werkstück befestigt wird und welches Maß der zu bearbeitende Gegenstand haben sollte. Er lehrte mich auch, dass ich für ein verdorbenes Werkstück aufgehängt werden könnte, denn die SS verstehe keinen Spaß”.

Neben der Ausnutzung ihrer Arbeitsleistung diente die Behandlung der Häftlinge auch hervorragend zur Disziplinierung der ZwangsarbeiterInnen sowie der deutschen ArbeiterInnen. In Anspielung auf das alltäglich vor Augen geführte Schicksal der KZ-Häftlinge wurde bei sinkender Arbeitsmoral, “dieselbe Uniform” angedroht. (laut Aussage eines Schlossers der Adlerwerke)

Die Arbeitsplätze nicht mehr arbeitsfähiger oder getöteter Häftlinge konnten durch die große zur Verfügung stehende Anzahl an Häftlingen sofort wieder besetzt werden. Der Häftling Kasimierz Doszla berichtete, dass die Werksleitung “gleichgültig ohne jeglichen Protest dem Treiben der SS zusah (...) die das Ziel hatte, uns auszurotten. Die Direktion interessierte sich nicht für die massenhaften Todesfälle der Häftlinge, sie verlangte nur weitere neue Opfer zur Vervollständigung der Arbeitskolonnen”.

Die in der Produktion eingesetzen Häftlinge arbeiteten in Tag- und Nachtschichten von anfangs 11 bzw. 12 Stunden. Der Produktionsprozess war gekennzeichnet durch ständige Zwangspausen – bedingt durch permanente Fliegerangriffe, Energiemangel und Materialengpässe - und darauffolgende intensive Arbeit in kürzestmöglicher Zeit. Diese Situation verschärfte sich nach den Luftangriffen vom September 1944 nochmals drastisch.

Die Zeiten der verstärkten Bombardierungen verbrachten die Häftlinge, besonders die der Nachtschicht, zusammengedrängt in unsicheren Schutzräumen. Dieser Arbeitsausfall musste nach Schichtende nachgearbeitet werden. In so einer Nachtschicht, berichtete Ryszard Olek, “konnte man es vielleicht zwei, drei Wochen aushalten”. Max Loock schätzte die den Häftlingen verbleibende Nachtruhe auf drei Stunden.

“Der Gang vom Aufenthaltsraum zur Arbeitsstätte verdient es besonders geschildert zu werden. Vom 3. Stock bis auf den Hof waren es 100 Stufen, dann 100-150 Meter über den Hof zwischen den Fabrikgebäuden und nochmals 50 Stufen zum Arbeitsraum. Wer dabei ohne Kolbenschläge und Gummischlauchschläge davonkam, konnte von Glück sagen. Auf dem Weg zwischen den Gebäuden stand eine SS-Postenkette und regierte mit Kolben und Gummischlauch. Jeder war froh, wenn er im Arbeitsraum an seiner Maschine stand.” Am Abend wurden diejenigen Häftlinge, die nicht schon am Arbeitsplatz zusammengebrochen und von ihren Kameraden bereits zurückgetragen worden waren, “wie eine große Herde müder Schafe unter schwerster Bewaffnung und mit der Knute versehen” in das Lager zurückgetrieben. Appelle, Essenseinnahme, “Nachtruhe” - bei ständig brennendem Licht und permanenten Fliegeralarmen.

aus: Kaiser, Ernst und Knorn, Michael: Wir lebten und schliefen zwischen den Toten, 3. überarbeitete und erweiterte Auflage, Campus-Verlag, S. 184-204