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Frankfurter Rundschau vom 06.09.1997:

Koenigs regt Spende für KZ-Überlebende an

Brief an die Dresdner Bank vor der Einweihung des Gedenksteins

Umweltdezernent Tom Koenigs hat in einem Schreiben an den Vorstand der Dresdner Bank eine Spende des Bankinstituts an die überlebenden Opfer der KZ-Außenstelle Katzbach/Adlerwerke angeregt. Die Anregung ist vor dem Hintergrund der Gedenkveranstaltung für die 528 getöteten polnischen Zwangsarbeiter am heutigen Samstag auf dem Hauptfriedhof zu sehen, an der auch acht Überlebende teilnehmen werden. Wie berichtet, werden Vertreter der Initiative „LAGG - Leben in Gallus und Griesheim", des DGB, der IG Metall und der VVN dort in einer Feierstunde um elf Uhr einen Gedenkstein einweihen. Am morgigen Sonntag wird Stadträtin Isa Petersohn für die acht ehemaligen Zwangsarbeiter einen Empfang im Kaisersaal des Römers geben.

In seinem Brief an den Bankenvorstand schreibt Koenigs, „zwar sei der Auffassung der Dresdner Bank zuzustimmen, daß die Entschädigung der Opfer des Nationalsozialismus in der gemeinschaftlichen Verantwortung aller Deutschen liege"; darüber werde allerdings seit Jahren auf verschiedenen Ebenen verhandelt. Unabhängig von der Frage der Rechtsnachfolge und daraus ableitbaren Entschädigungsansprüchen erscheine ihm aber der Gesichtspunkt der Gerechtigkeit beim Umgang mit den damaligen Opfern von Bedeutung.

Angesichts des hohen Alters und der körperlichen Gebrechlichkeit vieler Betroffener sei kaum damit zu rechnen, „daß sie derartige Zahlungen noch zu Lebzeiten erhalten. Diese Situation ist schwer erträglich." Bei der KZ-Außenstelle Adlerwerke gehe es um einen konkreten Fall aus Frankfurt. „Ich würde es für eine angemessene Geste des Bedauerns über erlittenes Unrecht und des Willens zur Wiedergutmachung halten", meint der Stadtrat, „wenn die Dresdner Bank den Überlebenden einen angemessenen Betrag in Form einer Spende zur Verfügung stellen würde. Ich bin sicher, daß eine solche Spende auch von den Mitarbeitern Ihrer Bank und in der deutschen wie der polnischen Öffentlichkeit gewürdigt und begrüßt werden würde."

Ein Sprecher der Dresdner Bank erklärte am Freitag hierzu gegenüber der FR, man werde die Anregung des Stadtrats prüfen. Mit einer Entscheidung sei in der nächsten Woche zu rechnen. enk

Kommentar:

Späte Geste

Von Jürgen Schenk

Fast 50 Jahre lang haben die Adlerwerke, die Dresdner Bank sowie Justiz und Stadtverwaltung die Existenz eines KZ-Außenlagers im Gallus verdrängt oder gar verleugnet. Die Tatsache, daß nun ehemalige Mitarbeiter der Firma, Gewerkschafter und Verfolgte des Naziregimes den 528 Opfer des Lagers einen Gedenkstein setzen, ist der späte Versuch eines würdigen Gedenkens. Dies allein ist wichtig und darf nicht von dem kleinlichen Streit zwischen der Stadt und den Initiatoren überdeckt werden, ob auf dem Stein ein Hinweis auf die Mitverantwortung von Aktionären und der Dresdner Bank an den Greueltaten eingemeißelt werden soll oder nicht.

Das Bankinstitut selbst aber hätte jetzt einen guten Anlaß zu einer noblen Geste gegenüber den überlebenden Opfern. Auch wenn keinem heutigen Manager oder Aktionär der Dresdner Bank ein persönlicher Schuldvorwurf zu machen ist, bleibt doch Fakt, daß das Kreditinstitut aus der Zwangsarbeit Hunderter Polen in dunkler Zeit seinen Profit zog. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Bank nun 10, 50 oder 100 Prozent des Aktienkapitals der Adlerwerke besaß. Es wäre unerträglich und zynisch, wenn die wenigen Überlebenden mit ihren Forderungen an den deutschen Staat verwiesen würden. Die Entscheidung über eine Entschädigung würden sie wahrscheinlich nicht mehr erleben.

Frankfurter Rundschau vom 5. November 1997, Nr. 257:

Dresdner Bank

Kein Geld für Adler-KZ-Opfer

Die Dresdner Bank wird den Überlebenden der KZ-Aussenstelle Katzbach/Adlerwerke im Gallus keine Spende überweisen. Dies teilte ein Sprecher der Bank auf Anfrage mit. Damit wurde eine entsprechende Anregung von Umweltdezernent Tom Koenigs (Grüne) abgelehnt. Anlaß für die Anregung war eine Gedenkveranstaltung auf dem Hauptfriedhof für die 528 getöteten polnischen Zwangsarbeiter Anfang September dieses Jahres. Bei dieser Veranstaltung — initiiert von der Arbeitsgemeinschaft „Leben und Arbeiten in Gallus und Griesheim (LAGG)" — war ein Gedenkstein für die Opfer eingeweiht worden. Acht Überlebende des KZ-Aussenlagers hatten an dem Treffen teilgenommen.

Vertreter der LAGG hatten in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß in den letzten Kriegsjahren der damalige Vorstandssprecher der Dresdner Bank, Carl Goetz, Aufsichtsratsvorsitzender der Adlerwerke gewesen sei und das Kreditinstitut etwa zehn Prozent der Aktien der Adlerwerke hielt — die Depotstimmrechte nicht mit einbezogen.

In seinem offenen Brief an den Bankenvorstand hatte Stadtrat Koenigs geschrieben, unabhängig von der Frage der Rechtsnachfolge und daraus ableitbaren Entschädigungsansprüchen erscheine ihm der Gesichtspunkt der Gerechtigkeit beim Umgang mit den damaligen Opfern von Bedeutung. Dieser Weg in die Öffentlichkeit sei „einer positiven Behandlung der Angelegenheit nicht dienlich" gewesen, erklärte die Bank. „Unabhängig hiervon", heißt es weiter, „müssen wir erneut feststellen, daß aus der relativ kleinen Beteiligung der Altbank an den Adlerwerken keine Verantwortlichkeit der heutigen Dresdner Bank für in den Adlerwerken begangene Verbrechen abgeleitet werden kann". enk